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Ali Eskandarian: Sex, Drugs & Philosophie

Ali Eskandarian - Die Goldenen Jahre - Buch - Berlin Verlag - kulturmaterial
© Berlin Verlag
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DIE GOLDENEN JAHRE

Szenen des Innen und Außen eines Vagabunden.

Ali Eskandarians »Die Goldenen Jahre«: Debüt und Ende

Ali Eskandarian war bei Fertigstellung seines autobiografischen Buches »Die Goldenen Jahre« fünfunddreißig Jahre alt. Die Veröffentlichung des im Jahr 2015 erschienenen Buches erlebte er nicht. Bereits zuvor waren Ali Eskandarian und zwei WG-Nachbarn von einem Amokläufer in New York im Stadtteil Brooklyn erschossen worden.

Ali Eskandarian schuf sein lesbares Debüt und wurde jäh aus dem Leben gerissen. Sein Leben war damit zu Ende. Doch mit seinen niedergeschriebenen Erinnerungen, Gedanken und philosophischen Ansätzen hinterließ er etwas Bleibendes.

Genauso gut hätte er ein Kind zeugen können. Das tun ja bekanntlich die meisten, um etwas von sich zu hinterlassen – auch wenn es die wenigsten derart bewusst tun. Ali Eskandarian tat es gerne. Und es wäre nicht verwunderlich, wenn hieraus ihm ähnelnde hübsche Jungen und Mädchen entsprangen. Schenkt man dem Buch Glauben, so blieb kein Höschen lange angezogen, nachdem er den näheren Intimbereich betrat.

Aber insbesondere das ist die Schwierigkeit mit toten Künstlern. Sie können sich nicht länger äußern. Stattdessen schäumen die Spekulationen hoch wie die Milch beim Latte Macchiato.

»Ich bin ein Musiker, Sänger, Schriftsteller, Halunke,

Scharlatan.« – Ali Eskandarian

Ali Eskandarian - Autor - Die Goldenen Jahre - Berlin Verlag - kulturmaterial
Ali Eskandarian © Berlin Verlag

DIE GOLDENEN JAHRE

von Ali Eskandarian

Deutsch von Robin Detje

Berlin Verlag

ISBN 978-3-8270-1266-1


Eine weitere Schwierigkeit mit nicht mehr unter uns Weilenden betrifft die Pietät. Wie lassen sich ihre Werke kritisieren, wenn bekanntlich über Tote nicht schlecht gesprochen werden darf? Es wird eine Ausnahme zulässig sein, wo Dritte der Vermarktung der äußeren tragischen Umstände nicht widerstehen können. 

Ali Eskandarian wäre zu wünschen gewesen, dass er sich mit seinem Debüt-Roman von seiner innerlichen Zerrissenheit hätte lossagen können, um an zukünftigen vielversprechenden Musik- und Buchprojekten zu wachsen.

»Die Goldenen Jahre« – erschienen im Berlin Verlag – ist weniger ein Roman und mehr ein Tagebuch, das gedankliche Ergüsse, sexuelle Abenteuer und allerlei Drogeneskapaden enthält.

Einen roten Faden sucht man vergebens. Absätze beziehungsweise Kapitel sind mit Hashtag versehen, manche tragen zusätzlich die Namen von Städten wie New York, Teheran, Dallas, andere kommen ganz ohne aus oder führen beschreibende Zusätze wie „auf Tour“ oder „unterwegs“. Die Erzählzeit ist unbestimmt. Im einen Moment Gegenwart, im nächsten Vergangenheit. Vergleichweise ungezähmt wechselt der Ich-Erzähler von innen nach außen, von seiner Gedankenwelt in die nur schwer zu ertragende Realität. Schwermut ist das die rund 200 Seiten beherrschende Moment.

Ali Eskandarian beziehungsweise sein Roman-Ich hatte einen großen Hass auf die Welt, auf sich und auf Drogen und konsumierte von allem besonders viel. Veränderung fängt zunächst bei einem selbst an. Nur immer mit dem Finger auf andere oder Umstände oder Entschuldigungen zu zeigen ist einfach – die wahren Verfehlungen liegen zumeist viel näher.

Mit Abschluss seines Buches war er bereit neu anzufangen. Bedauerlicherweise war die Zeit für ihn bereits abgelaufen.